Wahoo Kickr Rollr im ersten Test: Freie Rolle in Smart - Rennrad-News

2022-11-07 16:38:14 By : Ms. Jack Sun

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Wahoo schließt mit dem Kickr Rollr Indoor-Trainer die Lücke zwischen der klassischen „freien Rolle“ und den beliebten Smart-Trainern mit Direktantrieb. Hinten freie Rolle, Vorderrad eingespannt, volle Smart-Trainer-Funktion – so interpretiert Wahoo den klassischen Rollentrainer neu. Wir konnten schon vor der offiziellen Veröffentlichung einige Trainingseinheiten auf dem neuen Kickr Rollr absolvieren.

Sogenannte freie Rollen werden sehr gerne von versierten Fahrern oder von Profis beim Indoor-Training oder Warm up genutzt. Sie bieten den Vorteil, dass keine Befestigung des Rades notwendig ist und sozusagen „frei“ gefahren werden kann. Deshalb auch der Name. So werden nicht nur Kraft und Ausdauer trainiert, sondern auch die Balance geschult. Zudem ist das Fahren nicht statisch und damit komfortabler und weniger monoton als mit einem herkömmlichen Smarttrainer, auf dem der Rahmen fix eingespannt wird. Allerdings ist das Fahren auf so einem Gerät auch technisch schwierig und kann im Extremfall mit schmerzhaften Stürzen enden.

Wahoo bringt mit dem Kickr Rollr einen Indoor-Trainer auf den Markt, der die Vorteile beider Welten kombinieren soll. Die Idee ist einfach, aber genial und ausgezeichnet umgesetzt. Das Heck ist aufgebaut wie bei einer freien Rolle, das Vorderrad wird jedoch in einer Halterung fixiert. Somit ist das Fahren kinderleicht und viele Vorteile bleiben dennoch erhalten.

So ist es völlig egal, welche Schaltung oder welcher Achsstandard verbaut sind und welche Eigenheiten der Rahmen aufweisen mag. In den Kickr Rollr wird jedes Bike komplett eingestellt, das Vorderrad mittels des genial einfachen Haltebügels fixiert, die Länge des Trainers auf den Radstand angepasst und schon kann es losgehen. Die Kompatibilität ist völlig unabhängig vom eingesetzten Rad.

Hat man etwa ein Rennrad mit Scheibenbremsen und Antrieb von Shimano und ein Zeitfahrrad mit Felgenbremsen und SRAM 12-fach Schaltung, lässt sich das Rad auf dem Kickr Rollr innerhalb von zwei Minuten wechseln. Bei Verwendung eines Smarttrainers mit Direktantrieb, wie zum Beispiel dem Wahoo Kickr, müssten nicht nur die Achsadapter getauscht, sondern auch die Kassette und der Freilaufkörper getauscht werden. Ein Aufwand, der gute Schrauberkenntnisse erfordert und schnell mal eine halbe Stunde dauern kann.

Der Kickr Rollr hat keinen internen Leistungsmesser verbaut. Das wäre aufgrund der Konstruktion auch nicht sehr schlau, denn durch den Rollenantrieb wäre die Messung mit vielen Fehlern behaftet. Um die smarte Trainingssteuerung nutzen zu können, ist also eine Wattmessung am Fahrrad erforderlich. Diese wird in der Regel über die Pedale oder die Kurbel erfolgen. Das hat den großen Vorteil, dass die Verluste im Antrieb nicht ins Gewicht fallen und dass man sowohl indoor wie auch draußen den gleichen Wattmesser verwendet.

Mit gekoppeltem Wattmesser lässt sich der Wahoo Kickr Rollr auch im ERG-Modus wie ein Smartrrainer mit Direktantrieb nutzen. Dabei steuert der Kickr Rollr die Leistung selbstständig auf den vom Trainingsplan oder der Software vorgegebenen Wert. Man muss also während der Einheit nicht die Gänge oder die Trittfreqeunz wechseln, sondern lediglich treten – der Rest wird von Software und Trainer gesteuert.

Wer allerdings keinen Wattmesser am Rad verbaut hat, sollte auch den finanziellen Aspekt beachten. Mit 799,99 Euro hat der Wahoo Kickr Rollr zwar den gleichen Preis wie der Kickr Core, der bei Wahoo der günstigste Smarttrainer mit Direktantrieb ist, allerdings hat der Core auch einen integrierten Wattmesser verbaut und der Kickr Rollr eben nicht.

Benötigt man also beides – Rollentrainer und Wattmesser, wird es zwangsläufig teurer. Für diesen Fall hat Wahoo ein Bundle mit dem Kickr Rollr und dem ebenfalls brandneuen Wahoo Powrlink Zero Wattmess-Pedal im Angebot. Der Trainer kostet dann zusammen mit den Pedalen mit einseitiger Leistungsmessung 1.399,99 Euro. Somit lassen sich rund 50 Euro gegenüber den einzelnen Preisempfehlungen einsparen.

Der Aufbau des Kickr Rollr erfolgt denkbar schnell, denn der Rollentrainer wird weitgehend vormontiert angeliefert. Der vordere Part mit dem großen Haltebügel für das Vorderrad muss lediglich mit dem Heck samt integriertem Rollenantrieb verbunden werden, im Anschluss noch das Netzteil auspacken und den Stecker einstecken – fertig!

Wie bei Wahoo üblich, erfolgt die Aktivierung sowie die Bedienung mittels der Wahoo App über das Smartphone. So lässt sich recht einfach und übersichtlich ein Leistungsmesser koppeln, sowie die verwendete Radgröße einstellen, um korrekte Werte ausgespuckt zu bekommen. Außerdem können mit der App auch simple, selbst gesteuerte Trainings gefahren werden, indem man manuell den Widerstand vorgibt, oder im ERG-Modus konkrete Wattwerte vorgibt. Diese werden vom Rollr dann unabhängig vom gewählten Gang oder der Trittfrequenz über eine Anpassung des Widerstandes eingepegelt. Ganz wie man es von anderen Smarttrainern gewohnt ist.

Ist die Hard- und Software bereit, gilt es noch das Fahrrad zu montieren, und das ist dank des sehr einfach zu verstellenden Haltebügels für das Vorderrad wirklich kinderleicht. Der Bügel kann ohne große Kraftaufwendung in seiner Position verschoben werden, die Klemmung fürs Vorderrad ist über das große Handrad wirklich leicht zu bedienen. Durch die schräge Anstellung der Klemmflächen wird in erster Linie der Reifen und nicht die Felge geklemmt. Danach kann es direkt losgehen.

Nutzt man den Kickr Rollr mit Trainingssoftware wie Zwift, Wahoo Systm, TrainerRoad oder anderen, ist es wichtig, den Kickr Rollr als steuerbaren Trainer mit integrierter Quelle für Leistung und Trittfrequenz zu konfigurieren und nicht den Wattmesser des verwendeten Fahrrades als Leistungsquelle zu definieren. Nur so können Software und Trainer richtig harmonieren und die korrekte Leistung ansteuern.

Sobald der Powermeter des Bikes im Wahoo Kickr Rollr hinterlegt ist, verbinden sich beide bei jeder Aktivierung automatisch und funktionieren dann als gemeinsame Einheit wie ein gewöhnlicher Starttrainer mit integriertem Leistungsmesser. Und so lässt sich die Kombination auf den gängigen Trainings-Plattformen auch uneingeschränkt nutzen.

Das Fahrgefühl mit dem Wahoo Kickr Rollr ist ein ganz besonderes, denn es handelt sich eben nicht um einen gängigen Starttrainer mit Direktantrieb, bei dem der Rahmen über die hintere Achsaufnahme fest arretiert ist. Dies bringt den großen Vorteil mit sich, dass sich das Fahren auf dem Kickr Rollr wesentlich weniger statisch anfühlt. Das Hinterrad läuft „frei“ auf der Antriebsrolle und „wandert“ je nach der getretenen Intensität und den Bewegungen der Fahrer*in auch entsprechend zur Seite.

Diese Ausweichbewegung und die Einspannung der Front über das Vorderrad, bringen eine sehr angenehme „Weichheit“ in das Fahrerlebnis auf dem Kickr Rollr. Die Fixierung des Bikes über das Vorderrad bringt wesentlich mehr Flex und Bewegungsfreiheit, als man zunächst vermuten würde. Wer denkt, dass er ein „steifes“ Vorderrad besitzt, wird sich wundern, wie stark sich die gesamte Fuhre bewegt.

Damit erweist sich die Halte-Konstruktion mit dem großen Bügel zur Vorderrad-Klemmung nicht nur als Türöffner zu grenzenloser Kompatibilität, völlig unabhängig vom Achsstandard, sondern auch als zusätzlicher Komfort-Garant.

Das Thema Kraftübertragung poppt bei einem Indoor-Trainer mit klassischem Rollenantrieb natürlich immer auf. Was ist mit dem Schlupf zwischen Reifen und Rolle, was passiert bei harten Antritten? Um es kurz zu machen: Ich hatte bei den Einheiten, die ich bisher mit dem Kickr Rollr in der Kürze der Zeit absolvieren konnte, keine Probleme damit. Beim Einsatz des Rennrades überhaupt nicht, mit dem Zeitfahrrad nur minimal im Wiegetritt bei harten Antritten. Dann war schon mal ein sehr kurzes Reifenquietschen zu hören, dass vom Schlupf zwischen Reifen und Metallrolle zeugte. Aber es war kein bisschen störend für den eigentlichen Trainingsablauf.

Da die Wattmessung ohnehin in den Pedalen oder der Kurbel erfolgt, spielt der Schlupf für die Genauigkeit und die absoluten Werte des Trainings keine Rolle. Selbst bei kurzen und harten Intervallen, wie zum Beispiel 40/20er, machte sich die Form des Antriebs bei den von uns gefahrenen Testeinheiten nicht wirklich negativ bemerkbar.

Gesteuert von einem Gerät von Wahoo, in unserem Fall von dem Wahoo Elemnt Bolt, reagierte der Wahoo Kickr Rollr sehr zügig und passte auch harte Wattsprünge sehr schnell, in der Regel innerhalb weniger Sekunden, an. Gesteuert von TrainerRoad erfolgte die Anpassung etwas verzögert, das ist jedoch ein Phänomen, was unter dieser Software mit vielen Starttrainern auftritt. Es lässt sich umgehen, indem man während dem Wattsprung möglichst nicht die Trittfrequenz verändert.

Wie sich das Thema Schlupf bei Menschen darstellt, die mühelos über 1.000 Watt treten können, lässt sich aus der Sicht von uns Normalsterblichen in der Rennrad-News.de Redaktion leider aktuell nicht beurteilen. Wir werden jedoch an dieser Stelle davon berichten, falls uns Geschichten von heißgefahrenen Reifen zu Ohren kommen sollten.

Der Kickr Rollr ist, gemessen an seiner Bauform, erschreckend leise. An unserem Testgerät war keinerlei Unwucht zu spüren, das Fahrgefühl weich und angenehm, die Geräuschentwicklung gefühlt kaum lauter als bei einem guten Smarttrainer mit Direktantrieb. Ich kenne sogar Smarttrainer mit Direktantrieb, die deutlich lauter als der Kickr Rollr sind. Zumindest beim Fahren im ERG-Mode mit kleinem Gang. Wer viel frei auf Zwift fährt, hat in den langen Gängen natürlich höhere Geschwindigkeiten anliegen und somit auch ein höheres Fahrgeräusch. Das ist jedoch auch bei den meisten Trainern mit Drirektantrieb der Fall.

Mit dem Kickr Rollr springt Wahoo mutig in eine Marktlücke und bringt einen sehr interessanten Smart-Trainer an den Start. Die Kombination aus freier Rolle mit Haltefunktion am Vorderrad und voller Smartfunktion bei der Verwendung eines Powermeters am Rad, eröffnet ganz neue Perspektiven. Das Fahren auf dem Kickr Rollr fühlt sich weicher, angenehmer, ja letztendlich tatsächlich sogar etwas „freier“ als bei fixer Montage des Rahmens an einem Trainer mit Direktantrieb an. Schon alleine damit und mit der grenzenlosen Kompatibilität würde der Kickr Rollr eine Fangemeinde finden. Die nahtlose Einbindung und problemlose Funktion mit gängiger Trainingssoftware macht ihn jedoch zu einer echten Alternative. Wer mehrere Räder mit unterschiedlichen Achsstandards und/oder Antrieben sein Eigen nennt oder von der fixen Position auf Direkttrainern genervt ist, sollte sich den Wahoo Kickr Rollr durchaus näher anschauen.

Was sagt ihr zu dem neuen Wahoo Kickr Rollr?

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